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Soziale Netzwerke

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Klatsch, Tratsch, Hörensagen und Gerüchte – wie viele Social-Media-Posts, insbesondere privater User, auf dieses Konto einzahlen ist schwer messbar, aber es dürften einige sein. Genauso nah dran an diesen Begriffen ist nicht selten auch die Grundlage für Investitionsentscheidungen bei Privatanlegern: Gerüchte und Informationen sind heiß gehandelte Ware und persönliche Tipps von Personen, denen man vertraut und die mit ihrem Ratschlag kein Geld verdienen, Gold wert. Von dieser zunächst eher diffusen Gemeinsamkeit ausgehend, stellt sich die Frage: Welche Bedeutung haben soziale Medien tatsächlich für die Finanzkommunikation?

Neben der IR-Website haben sich Social Media Dienste wie Twitter und Co. längst in der Palette der am häufigsten genutzten Informationsquellen für Investoren etabliert: Über die Hälfte der Investoren liest laut einer Untersuchung1 Blogs, ein Viertel (24 Prozent) ist in Social Networks wie LinkedIn oder Facebook aktiv und 30 Prozent nutzen Twitter. Als schnelle Informationsquelle hat Twitter im Vergleich zu den Vorjahren am stärksten zugelegt. Eine Studie aus den USA kommt gar zu dem Ergebnis, dass Websites und Blogs zu Finanzthemen die einflussreichste externe Informationsquelle von Privatanlegern sind.2 Das dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass Finanzkrisen und Bankencrashs das Ansehen professioneller Finanzberater stark beschädigt haben. Unternehmen nutzen Social Media zwar verstärkt, um wichtige Informationen, auch investi-tionsrelevante, kurzfristig zu platzieren – oder auch zu kommentieren und dementieren, aber die wenigsten bauen ihre Digitalstrategie auch konsequent im Sinne der IR-Kommunikation aus. Für börsennotierte Unternehmen ist die Finanzkommunikation als Teilbereich der Unternehmenskommunikation die wohl wichtigste Disziplin.

Kristin Köhler hat in 2009 in einer empirischen Studie die Social-Media-Aktivitäten deutscher Unternehmen aller Indizes (DAX, TecDAX, MDAX und SDAX) sowohl auf deren eigener IR-Website als auch auf externen Social-Media-Plattformen untersucht: Rund 66 Prozent der untersuchten Unternehmen hatten zu diesem Zeitpunkt Social-Media-Anwendungen in ihre IR- Website integriert, insbesondere Social Bookmarks und RSS-Feeds.3 Deutlich wird aber auch, dass eine Verlinkung von der IR-Website auf externe Web-2.0- Dienste, in denen das Unternehmen ansonsten präsent ist, kaum stattfindet. Bemerkenswert ist zudem, dass das IR-2.0-Engagement unternehmensspezifisch und individuell zu sein scheint, eine zielgerichtete IR-2.0-Strategie ist demnach in den wenigsten Fällen zu vermuten.

Das Potenzial der IR-Kommunikation 2.0 ist auch in den vergangenen Jahren nicht ausgeschöpft worden, obwohl sich die Zielgruppe der Finanzkommunikation zunehmend in sozialen Medien bewegt: Im IR Benchmark 2015, das die Beratungsagentur NetFed jährlich mit dem Handelsblatt-Online herausgibt, zeigt sich: Inhalte werden in vielen Fällen nicht onlinegerecht aufbereitet, nur ein Drittel der IR-Websites ist auch für die mobile Nutzung optimiert. „Die Unternehmen veröffentlichen zu wenige Kür-Inhalte, die dem User einen Mehrwert bieten würden“, heißt es außerdem in der Studie.4

HTML-Finanzberichte sind bei vielen deutschen Unternehmen längst noch kein Standard: Nur 42 Prozent bieten ihren Jahresbericht in einem hochwertigen Online-Format an, lediglich 18 Prozent auch die Quartalsberichte.5 Ohne vollständige HTML-Version ist wiederum auch keine Verbreitung über soziale Medien möglich. Es geht eben nicht nur um das Positionieren von Pflichtinhalten und die Verbreitung von Informationen für Shareholder, sondern vor allem darum, Multiplikatoren und Meinungsführer zu erreichen. Der Social- und der Relations-Begriff haben gemeinsame Wurzeln: den Aufbau und die Pflege von Beziehungen. Um in einen echten Dialog mit Share- und Stakeholdern zu treten, gilt es, die wichtigsten Informationskanäle der Zielgruppe zu identifizieren und sukzessive in eine digitale Strategie der IR-Website zu integrieren, angefangen bei der Konzeption des Online-Geschäftsberichts. /

1 Köster, Andreas: Wie Analysten und Investoren Social Media nutzen – Brunswick Umfrage, http://www.online-investorrelations.de/, 04.05.2015.

2 Köhler, Kristin: Investor Relations und Social Media, Going Public Media AG, München 2010: S. 48.

3 Vgl. Köhler, München 2010: S. 78.

4 NetFed IR Benchmark 2015, http://www.net-federation.de/aktuell/netfed-news/idx/601/ir-benchmark-2015-investor-relations-websites-auf-dem-pruefstand, 04.05.2015.

5 Ebenda.